Mein erstes Motorrad war 2006 eine blaue NTV, die 2008 durch eine schwarz NTV ersetzt wurde Mit 190 cm war ich aber irgendwie immer zu groß, trotz Umbauten, und für weitere Strecken wollten ich Windschutz - außerdem ABS und vielleicht sogar mal Einspritzung? Das soll ja die Zukunft sein. So habe ich im März 2011 nach etwas über 2 Jahren im ersten voll bezahlten Job ich dieses Motorrad gekauft:
Kawasaki Versys 650, BJ 2008, EZ 2009, 3000 km gelaufen, Bestzustand, 4800.- Die Vorbesitzerin war Fahranfängerin und fährt dann doch lieber nur bei ihrem Mann auf der R1200GS mit. Auf der Überführungsfahrt erreiche ich 211 km/h aufm Tacho - wow! Aber auch am Beschleunigen und besonders den Kurven hatte ich Spaß. Daheim dann festgestellt: TÜV nächsten Monat fällig, 1000er Inspektion nicht gemacht - da war ich wohl verliebt, und liebe macht bekanntlich blind. Die ersten Umbauten waren dann Heizgriffe (Saito), Kettenöler (Scottoiler V-System), Hinterradabdeckung (Pyramid Plastics, lackiert), SW-Motech-Sturzbügel und ein Navi (damals noch Navgear MX-350). Die Sitzbank war dann die zweite Maßnahme, die alte war zu weich, zu rutschig und zu schmal. Herr Jungbluth in Nideggen hat für mich ein Kunstwerk geschaffen, dass seitdem meinem Popo auf Tagesetappe bis 1000 km schmeichelt. Nicht mal mein Bett ist bequemer! So hatte ich schnell 1000.- Euro Zubehör verbaut bevor ich 1000 km damit gefahren bin - aber mir klar, dass ist was für länger.
In den ersten Monaten habe ich meine Abneigung gegen Schraubertätigkeiten an verkleideten Maschinen entdeckt Immer erst alles ab machen bevor man irgendwo rankam, meeeineeee Güüttee... Gebastel habe ich viel, breiter Lenker, Griffschalen, usw., und auch für dieses Motorrad war ich eigentlich zu groß, drum mussten die Fußrasten auf Dauer tiefer. Gepäck muss auch mit. Und so weiter. Die Zubehörhölle halt!
So fuhr ich fleißig rund um meinen neuen Wohnort Aachen, aber auch in den Alpen Österreichs, Italien, Frankreichs, außerdem durch Norwegen, und abends gerne mal Belgien, aber auch das südliche Grenzgebiet von Holland. Die Versys kann sowohl klaglos Gepäck ohne Ende schleppen (fairerweise aber nicht zu zweit) oder sportlich um die Ecke gefetzt werden - sie ist eher Reisesupermoto als Reiseenduro, schon alleine wegen des 17" Vorderrads und der entsprechenden Auswahl an Sportreifen.
Mit dem Winschild habe ich immer gehadert und vieles ausprobiert, inkl. mehr oder weniger abweiger Umbauversuche auf "Naked".
Das blieb aber nicht lange so. Gehörschutz half gegen Windlärm. Wie wir hier alle wissen, gehört auf ein Tourenmotorrad eigentlich keine Kette, und da dies mein erstes mit Kette Motorrad war, hatte ich von Kettenpflege wesentlich weniger Ahnung als von so ziemlich jedem anderen Motorrad-Thema. Ich habe schnellstmöglich einen Kettenöler, Typ Scottoiler V-System montiert, und nach 25000 km war die Kette kaputt, außerdem war immer Schmodder an der Felge, dem Nummernschild, dem Topcase, und bald auch an allem, was das Topcase berührt, z.B. meine Küchenplatte. In Österreich ist sie mir sogar mal abgesprungen und eine Woche später habe ich eine gebrochene Lasche entdeckt. Glücklicherweise ist verbaute 520er Kette ein gängiges Teil und kann sogar Samstags im ländlichen Kärnten getauscht werden. Ein hochwertiges Kettenkit mit Zahnrädern kostet übrigens ca. 140 Euro und hält mindestens 20.000 km, bei weniger ruppigen Anforderungen und besserer Pflege auch 50.000 km oder mehr. Jeder halbwegs motorradaffine Reifenhändler montiert es. Wenn ich mir vor eine längeren Reise unsicher bin, ob ich die Reise noch schaffe, packe ich das Kettenkit einfach ein. Damit kostet Kette selbst bei schlechter Pflege nur 1/3 der Hinterreifen und macht an den Gesamtkosten nicht viel aus. Inzwischen habe ich einen elektronischen CLS-Kettenöler mit Ritzelschmierung und Kettensägenöl, der reinigt die Kette fortlaufend und schmoddert nur noch die Schwinge voll, und selbst das nur minimal. Die klassischen Vorstellungen von Kettenpflege stammen übrigens teilweise noch aus einer Zeit vor X- oder O-Ring Ketten, die das Fett schon eingebaut haben und die daher eigentlich nur Pflege dieser Ringe brauche, sprich, sorgfältige Reinigung.
Zur Qualität muss ich sagen, dass eine Kawa halt keine Honda ist. Die Sitzbank rubbelt den Lack vom Rahmen. Die Schlösser brauchen alle regelmäßige Pflege. Das Kühlsystem blubbert nach eine Passfahrt gerne vor sich hin und ab 30° sieht man auch mal die Warnleuchte. In der Schwinge sammelt sich Regenwasser. Der Lima-Regler sitzt im Spritzbereich und bei manchen vergammelt der Stecker. Es gibt Leute mit Lima-Problemen. Die Bremse hat keinen Druckpunkt, sondern eine matschige "Druckzone" und davor reichlich Leerweg am Hebel. Die Originalspiegel vibrieren extrem. Der Seitenständer rückt nach.
Anstelle ewigem Schwarz habe ich irgendwann Spaß an grellen Farbe entdeckt. Als Windschild hat sich die Givi Airflow einer F700GS mit gewissen Anpassungen als tauglich erwiesen.
Durch den Kauf beschädigter Teile habe ich einen ziemlich Fundus an Plastik angehäuft, mit dem ich z.B. die Nationalfarben der besuchten Länder tragen kann
Außerdem habe ich zweiten Satz Räder gekauft, den ich aus der Dose gold foliert habe. Das sieht nur auf den ersten Blick gut aus, und das auch nicht lange. Aber die nächste Dose kostet ja nicht die Welt.
Nun hat die Versys 120.000 km runter. Sie hat einen neuen Krümmer gebraucht, drei Auspufftöpfe (die fangen irgendwann zu klappern an), Simmeringe, leider auch eine Benzinpumpe (da war der Urlaub zu Ende) und ganz neu, es rastet der 4. Gang nicht mehr ein. An Federbein, Gabel und Kühlsystem sehe ich ein paar Fragezeichen. Das heißt dann wohl Abschied nehmen, da es gleiche Modelle mit 30.000 km für 3.000 Euro gibt, und daher gibt's ein paar Reisefotos, quasi im Gedenken. Ich werde meine gegen ein gleiches Modell mit weniger km tauschen und mein Zubehör rüber bauen, denn zum kurvenfreudigen Kilometerschrubben finde ich sie perfekt. Viel Spaß in Kurven, mit 64 PS, gutem Durchzug und super Übersetzung gerade genug Leistung, aber nicht zu viel, und schön günstig in Anschaffung und Unterhalt. Außerdem bin ich inzwischen Betreiber des versysforums