Werkstatt anno 1960....die Zeit steht still...
Der Kühler dahin, ein neuer zu teuer...da kam die
Erinnerung an meine alte CB500. Auch sie schlug leck, damals wenige
Wochen alt. Und der Kühler ging zum Löten an eine kleine, schon damals
etwas rumpelig wirkende Werkstatt von ellerbestem Ruf in Sachen
Metallverarbeitung.
Rumpelig war sie schon damals, aber als ich nun 18 Jahre später dort
den Hof betrat, bot sich mir ein wahrhaft surealistisches Szenario:
In der Einfahrt ein teilzerlegter Mercedes W123, Lenkrad demontiert,
Türen offen und daneben ein gleichalter und vom Zustand nicht wenig
erbarmungswürdiger Wohnwagen mit ähnlich dicker Moosschicht.. Wenige
Schritte weiter eine kleine Tafel mit der Aufschrift " Heute Kaffee
satt".
Hierbei schien es sich um ein Dauerangebot zu handeln, denn das
Schild stand Mittwoch und heute bei der Abholung des geflicktern Kühlers
dort.
Dahinter ein Campingtisch mit 4 Stühlen, danben Alteisen, so weit
das Auge reichte. Vorsichtig warf ich einen Blick durch die
offenstehende Werkstatt-Tür:
Links eisenhaltige Müllkippe, ein
Sammelsorium alter Gitter, Blechteile und anderen Sachen, ein idealer
Drehplatz für ein Messie- Soap. Zur rechten eine Werkstattecke mit
Schweißgerät, Holztisch, verschiedenen Werkzeugen, beleuchtet von 2
traurigen Lampen. Kein Werzeug jünger als 30 Jahre.
Eigentlich ein Ort, an dem man nicht mal den Luftdruck seines
Klapp-Fahrrades kontrollieren lassen würde, wenn man es nicht besser
wüßte. Auf mein mutig gerufenes "Moin" erschien der Gott des
Schweißbogens höchstseinerselbst. Optisch eine Mischung aus dem netten
Herrn aus der Kindersendung "Löwenzahn" ( nur kleiner) und Jean Pütz (
nur mit noch mehr Locken neben der kahlen Schädeldecke. Den folgenden
Dialog möchte ich Euch nicht vorenthalten.
Er: " "Ja?"
Ich: "Kühler defekt, muss gelötet werden. Kriegen Sie das hin?"
Er schnappte sich den Kühler, den ich in Händen hielt, begutachtete ihn mit strengem Blick und meinte quasi schon im Weggehen:
"Ruf mich in 4 oder fünf Tasgen mal an."
Ich: " Hm, ich brauche das Motorrad nächste Woche. Geht das vielleicht früher, also spätestens bis Dienstag?"
Er drehte sich zu mir um, sah mir tief in die Augen und murmelte: " Ruf mich Freitag mal an, so gegen Mittag."
( aus 4-5 Tagen waren nun 2 geworden.)
Ich verabschiedete mich brav und ging, ohne Quittung, ohne Auftrag,
einfach so, mit leeren Händen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, das alles
gut wird...
Tag der Abholung, heute, Freitag, der 09.09.2016
Anrufen klappte nicht von der Arbeit, also nach Dienstschluss
rumgefahren. Der alte Benz stand noch immer dort mit weit geöffneten
Türen, das "Kaffee satt- Angebot" galt noch immer, es hatte sich nichts
verändert. Bis auf die Position des Meisters, der nur 2 Schritte hinter
der offenstehenden Tür stand.
Ich: "Moin."
Er sah mich an wie einen Fremden, einen Alien und nickte nur kurz.
Ich: " Also ich komme wegen des Kühlers..."
Er: "Welcher Kühler?"
Meine Herzkranzgefäße zuckten unwillkürlich zusammen. Sollte er mich
vergessen haben oder noch schlimmer, den Kühler. Lag dieser schon auf
dem Friedhof der ausgebeinten Teile im rechten Teil der Hütte. Oder auf
einem Schrottlaster in Richtung Polen? Unsere letzte Begegnung war doch
gerade einmal 48 Stunden her...und ich hatte nicht einmal eine Quittung
oder ähnliches, um meinen Anspruch auf Herausgabe der deauvillschen
Eingeweide zu verlangen....
Ich holte tief Luft:
"Der Motorradkühler, Mittwoch..., ich sollte heute mal anrufen..."
Es dauerte einige Augenblicke, die sich für mich zu einer Unendlichkeit zogen. Dann erlöste er mich mit einem : "Komm mal mit."
Und dort sah ich ihn, erkannte ihn anhand seiner Lädierungen wieder und
wollte ihn glücklich an meine Brust drücken. Doch er hielt mich zurück:
"Ist noch ein zweites Loch drin gewesen, hier. Habe ich mit Flüssigem
Kunststoff verschlossen, muss noch durchhärten, bevor ich ihn noch
einmal abdrücken kann. Blöse Stelle, unter dem Halter,
Spannungsriss....ruf mich um 5 Uhr an."
Ich: "Aber sie haben doch nur bis 16:00 Uhr geöffnet???!!"
Er: "Jo, aber ich bin länger da."
Ich nickte demütig und fuhr nach Hause.
Um 17:09 Uhr wählte ich die Nummer der Hoffnung...
Ich: " Ist der Kühler wieder dicht?"
Er: Hab ich noch nicfht abgedrückt. Ruf mal in 10 Minuten durch."
17:22 Uhr
Ich: "Hallo, ich sollte mich nochmal wegen des Kühlers melden."
Er: "Kannste abholen."
Um 17:38 Uhr tauschten wir 70 Euro gegen einen instandgesetzten Kühler,
er beriet mich noch wegen des Eigenbaus eines Schutzgitters und wir
trennten uns mit Handschlag als Freunde.
So mussdas früher schon gewesen sein, um 1960, als Handwerker noch
Handwerker waren, es nicht auf pompöse Empfangstresen ankam oder auf
Latte Macciato...Nö, "Kaffee satt" und ehrliche, fristgerechte Arbeit
zum anständigen Preis....herrlich....
Sollte Euer Kühler mal zur Kur müssen, lohnt sich auch eine weitere Anreise....ein echtes Erlebnis.
Gruß