Jungfernfahrt
Startknopf gedrückt..kurzes Luftholen des voluminösen Einzylinders...dann solider, elektronisch geregelter Leerlauf.
Lässig den Seitenständer nach hinten gekickt, die samtweiche Kupplung gezogen und mit dem großen Zeh den ersten Gang gesucht und sofort gefunden.
Ohne „klonk“, einfach so.
Ich holte noch mal tief Luft und ließ den Boliden von der Kette. Schneller als erwartet wurde der zweite Gang gefordert und bewilligt. Und der Dritte.. Puh, die ortsüblichen 50 erreichten wir bei moderaten Drehzahlen im 5. und somit letzten Gang.
Schließlich war der Motor brandneu und sozusagen ein noch ungeschliffener Diamant, dessen Kolben sich an ihren Laufweg noch gewöhnen mussten.
Bequem, unglaublich leicht, leichtgängig, leichtfüßig stampfte das Boot voran, auf noch unaufgerauten Reifen und mit unbenutzten Ankern.
Mit jedem Meter wich diese anfängliche Mischung aus Euphorie und Anspannung einem lustvollen Grinsen.
Wie unbeschwert doch zweirädrige Fortbewegung sein konnte?
Knapp über 100kg leicht, dennoch mit zeitgemäßer Technik gesegnet, einem Aktionsradius von bis zu 250 km mit nur 6 Litern fossilen Brennstoffes
Und bequem dazu...
Entspannter als auf der Ente, diesem geliebten „oben Tourer, unten Sportler“- Gerät.
Dieses eher zu heiß gewaschene Kleinst-Moped, welches mich nun vorwärts trieb. Mit dem Nachdruck von vielleicht gut zwei Dritteln ihrer möglichen Gesamtleistung von 9,4 PS.
Reichte aus, um sich bewegt zu fühlen. Und bewegende Gefühle zu entwickeln.
Zuneigung, Sympathie, Bestätigung.
Die Bestätigung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, welche es jedoch zu verifizieren galt.
Also die übliche Pendlerstrecke, tags zuvor mit der Honda SH 300i, schon im Tempo der neuen Maschine absolviert, zu Vergleichszwecken. Verbrauch mit der Kraft aus 279ccm lt. BC 3,3 Liter.
Nun auf zur Vergleichsfahrt. Gestern noch einfach am Quirl gedreht, heute durch 5 Gänge gesteppt.
Gestern hinter Scheibe, Verkleidung und Handschützern vor dem eisigen Wind versteckt, der heute nun eine ungleich größere Trefferquote erzielte. Dafür heute noch mehr Quirligkeit, mehr lustvolle Suche nach kräftigen Drehzahlbereichen, die sich sogar ausmachen und nutzen ließen.
Aktive, auf Wunsch fast enduromäßige Sitzposition beim Vorrutschen auf der Sitzbank, oder eben entspannt im hinteren Bereich der Sitzbank.
Straff das Fahrwerk, ehrlich, aber verbindlich in Anbetracht der Gesamtkomposition, dazu gut dosierbare Bremsen.
Ein Wohlfühlen stellte sich ein, welches sich mehrte je länger die Fahrt andauerte, je länger man sich hineinfühlte in diese ingeniöse Kleinkunst, die so anders war als bisher Gefahrenes und dann doch wieder nicht.
Halt nur minimiert in den Ausmaßen, nicht im Fahrspaß.
Zwischenfazit, Anlegestelle Arbeitsplatz in Innenstadtlage nach vollbrachten 9 Landstraßen und 7 Stadtkilometern:
Verbrauch lt. BC 1,7 Kilometer und mein stiller Applaus an den kleinen Kolben und den Rest der „Arbeitsgruppe – Unterhalts-reduzierte Individual-Mobilität“.
Also auf zur zweiten Testreihe, Landstraße, Autobahn, gemischter Betrieb bis 2/3 Drehzahl. Verbrauch hier auf 90km gerade einmal 1,9 Liter/ 100
Nun steht sie im Carport und erholt sich. Verarbeitet die Eindrücke ihrer ersten größeren Tour.
Wie auch ich.
Und ich muss feststellen:
Gefällt, seit ich heute Nachmittag rasch die Spiegelverlängerungen montiert habe und endlich Rücksicht im Verkehr üben kann.
Wird mir noch mehr gefallen wenn endlich richtige Reifen und die O- Ring- Kette montiert sind.
Es wird Liebe werden, spätestens dann, wenn in 4 Wochen der ARROW montiert ist und die GROM damit noch atypischer wird:
So klein und doch irgendwie für mich ein Motorrad, trotz der bescheidenen Leistung und Größe, welches dannaber ganz groß klingen darf..( schon damit man sie nicht so leicht übersieht).
„Liebling, ich habe die Ente geschrumpft“, höre ich mich nach der Bestellung noch zu meiner Frau sagen.
Okay, der Kardan ging verloren und ein Zylinder sowie Hubraum blieben dabei auf der Strecke,
aber der Fahrspaß und die Hoffnung auf unbedingte Zuverlässigkeit (welches sich erst im Alltag bestätigen muss, aber es ist halt eine Honda ) ist dennoch, wenn auch auf einer völlig anderen Ebene, geblieben.
Immerhin, sie teilt die Farbe mit ihrer großen Vorfahrin, die unvergessen bleiben wird, der ein Platz in meiner persönlichen „Hall of Fame“ auf Lebzeiten sicher ist.
Große Fußstapfen, in die nun die GROM mit ihren kleinen 12-Zöllern hineinzutreten versucht, sich darin verlieren wird, weil sie so ganz anders ist.
Und doch wieder gut, auf ihre Art.
Was für ein Spaß gemeinsam den Berg zu erobern, wieselflink im engsten Geläuf unterwegs zu sein,
ABS- gesichert, zudem sogar weitestgehend gesichert vor den Bescheiden der Bußgeldstelle, weil man Übertretungen der Gängelungen der StVo gewaltvoll provozieren muss statt sie beiläufig und unbemerkt einzufahren.
Wie erfrischend, die kleine Mühle im engsten Geläuf von einer Kurve in die nächste zu werfen und Geschwindigkeit auf einem völlig anderen Niveau als solche wahrzunehmen und Fahrtzeit als Begleiter und nicht als Feind zu sehen, die niedergerungen werden muss.
Ja, sie dauert wahrhaftig länger, die Fahrt von A nach B, aber man erlebt sie auch bewusster, fast als Reise, selbst wenn die Strecke überschaubar ist. Und sie wird manches Mal Planung erfordern:
Wie erreiche ich B auf kleinsten Straßen, ohne von den Zeit-Eiligen bedrängt zu werden oder diese über Gebühr aufzuhalten?
Wir werden also bislang unbekannte Orte und Strecken kennenlernen, die Grom und ich, wenn wir mal Lust auf ein kleines Abenteuer jenseits des Alltags verspüren(*)
Ich freue mich darauf.
Auch auf die bescheidenen Rechnungen für das fossile Antriebsgold :))
*( Im letzten Herbst habe ich den 50er Roller meiner Tochter nach Flensburg überführt, weil sie nun dort studiert. Über kleinste „Sträßchen“, soweit das möglich war. Ein kleines Abenteuer mit nur 50ccm, es hat richtig Spaß gemacht, die 95 km dorthin auszusitzen, irgendwie eine echte „Auszeit vom sonst im Alltag vorherrschenden Zeitdruck“.
So werden auch in Zukunft die Ziele näher werden, aber bewusster erfahren.