Hallo.
Wieso wird eigentlich immer wieder behauptet, dass niedrigere Wahlbeteiligungen dazu führen, dass radikale Minderheitenparteien in die Parlamente einziehen?
Ich habe mir mal die Statistiken aller Parlamente im Geltungsbereich unseres Grundgesetzes angesehen und habe für diese Theorie überhaupt keinen Beleg gefunden.
Zwar scheinen ausschließlich die zwei Länder Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern diese Theorie zu stützen; allerdings war es in beiden Ländern zuletzt so, dass die Wahlbeteiligungen noch weiter sanken, gleichzeitig aber die Rechtsradikalen dort ebenfalls an Anteilen im Parlament verloren. Wenn man dann noch die Parlamentswahlen von Hamburg in 1998 ansieht, dann kam dort erst- und einmalig die radikale Schill-Partei ins Parlament, obwohl Hamburg eine der höchsten Wahlbeteiligungen in seiner Geschichte hatte. Und die Erfolgswelle der Republikaner in Baden-Württemberg Mitte der 90iger Jahre fällt auch nicht in eine Zeit auffällig niedriger Wahlbeteiligungen.
Also nein, es stimmt einfach nicht, dass geringe Wahlbeteiligungen ursächlich für den Erfolg radikaler Parteien seien. Auch ist so eine Gefahr nicht gegeben geschweige denn ersichtlich. Die Wahl-Statistiken aller 16 Bundesländer und des Bundes stützen so eine Theorie einfach nicht. Der Beweis für diese Theorie nach wie vor aus. Man könnte auch sagen: Das ist ausgemachter Quatsch, wenn so etwas behauptet wird, und ist nichts weiter als moralisierende Panikmache, indem man Nichtwählern unbegründeter weise so eine Schuld zuspricht.
Es verwirkt auch niemand sein Mitspracherecht oder das Recht, Kritik zu üben, nur weil er oder sie nicht zur Wahl gegangen ist. Jedenfalls dürfe niemand schlechter gestellt werden, weil er nicht wählt, wenn andere Wählen gehen und dabei unkritisch "wie immer" oder hinsichtlich ihres "Stallgeruchs" eine Wahlentscheidung treffen. Die Meinungsfreiheit - auch die politische - setzt nicht voraus, dass man eine Wahlentscheidung zugunsten irgendeiner Partei fällt. Außerdem wüsste ich nicht, wem ich lieber das Mitspracherecht entziehen wollen würde - dem Nichtwähler oder dem radikalen Protestwähler?
Oben bleiben!
Carlos