Gestern wurde ich in die Vergangenheit zurück gebeamt. So um gute 35 Jahre....
Auf einmal war es wie früher. Fast wie zu den wilden Mofa- Zeiten. und es war...irgendwie schön...
Meine Tochter ist ausgezogen. Nach Flensburg. Um dort das Leben zu lernen, neue Bekanntschaften zu schließen, ungehemmt auf Partys gehen zu können und sich selbst zu bekochen und zu versorgen ( natürlich noch auf unsere, also der Eltern Kosten), also erwachsen zu werden.
Und wenn sie nebenbei noch Zeit hat, dann wird sie lernen, unsere Kinder und Kindeskinder zu lehren, wann das DAS mit oder ohne Doppel-S geschrieben wird und ihnen den Sinn körperlicher Betätigung nahezubringen, um diese dann fachkundig zu beurteilen.
Nun ist Flensburg, anders als der gemeine Deutsche mutmaßen würde, nicht eine platte Stadt am Wasser, im Gegenteil. Im Tal räckeln sich die Touristen in luftiger Bekleidung in Cafes mit Blick auf die schneebedeckten Spitzen der umliegenden Höhen. Und irgendwo dort oben im ewigen Nebel liegt der Hort des Wissens...
Nun gut. Also sollte neben dem Fahrrad/ Bus ihr Sym Fiddle 2 künftig helfen, diesen Anstieg schmerzfrei und zu jeder Tageszeit zu bewältigen. Nur musste eben dieser erst einmal dorthin, immerhin 90 Kilometer weit.
Eine Strecke, die meiner Ente oder meiner Honda SH 300i nur ein müdes Scheinwerferblinzeln abringen würde, aber für einen 50er Roller schon mal eine Ansage war. Zumindest für denjenigen, der diesen begleiten würde. Also für mich....
Die Reise bedurfte wochenlanger akribischer Vorbereitungen. Streckenwahl mit möglichst wenig Verkehr und max. über Kreis-Straßen, eine letzte Inspektion des Rollers, wo dieser doch wahrscheinlich die nächsten vier Jahre nun abseits seiner Stammwerkstatt verweilen würde, Terminsuche...
Gestern war es dann soweit.
Reiseprotokoll:
Start um 10:00 Uhr Ortszeit.
Der vollgetankte Roller startete spontan und mit dem Zweithelm im Fußraum und weiteren Utensilien im Helmfach, welches jedoch keinen richtigen Helm aufzunehmen vermag, ging es los in Richtung Fähre, um erst einmal den NOK zu überwinden.
Natürlich legte diese gerade ab, als wir dort eintrafen. Natürlich ohne uns. Also maximaler Zeitverlust auf dieser Etappe trotz maximaler Anreisegeschwindigkeit von politisch korrekt abgeriegelten 45km/h.
Doch irgendwann setzten wir über und setzten unseren Treck gen Norden fort, nur gestört durch diverse Dosentreiber, die uns gefühlt anschieben wollten oder in den Graben drängen. Landstraße ist mit einem Fuffi kein Vergnügen.
Wir durchfuhren Ortschaften, in denen wir am Ortseingang junge Menschen spielen sahen, die dann verheiratet waren, als wir den Ortsausgang erreichten...Dauert alles länger, wenn der Zeiger des Tachos bei 45 verharrt.
Zunächst war das irgendwie lähmend. Aber dann ... irgendwie war es ein völlig neuer Blick auf die Strecke. Man konnte im Vorbeifahren außerorts Straßennamen auf den Schildern lesen, sah Häuser hinter Hecken, die einem noch nie aufgefallen waren, sog Details auf, die einem bei 100km/h verborgen geblieben wären.
45km/h.
Das war früher schnell für mich. Auf dem Fahrrad, auf dem ( frisierten ) Mofa. Und wurde es nun im Laufe der Kilometer wieder.
Ich freute mich, wenn der Sym Steigungen ohne Verlust an Speed erklomm, ließ ihn manches Mal gar nur mit 40km/h dahinrollen, verzichtete also auf Geschwindigkeit, damit auch er die Fahrt genießen könne. Seine erst "große Fahrt".
Bis dahin hatte er höchstens mal 20 km am Stück bewältigen müssen.
In Eckernförde war er sogar fast zu schnell...Alles auf 30km/h beschränkt. Also befuhren wir die Fahrspur mittig, drängten uns nicht verschämt wie sonst an den rechten Fahrbahnrand. Großartiges Gefühl für Mensch und Maschine…
Und tatsächlich. Nach erneuter Wartezeit an der Brücke in Lindaunis kamen wir tatsächlich an. Nach exakt 90 Kilometern stand er dann vor seinem neuen Zuhause, wo er sein Carport schmerzlich vermissen wird, dafür aber endlich vor großen Aufgaben steht, als Dienstfahrzeug sozusagen, als Muskelschoner und Zeitsparer, als Einkaufshilfe und Ausflugshilfe.
Ich traue es ihm zu, „meinem“ Langstrecken- Roller, der mich auf dieser Tour mal wieder lehrte, was Zeitdehnung bedeutet.
Das die übliche Jagd Zeit zu sparen, eigentlich kontraproduktiv ist. Vielmehr sollte man sie genießen, weil man ja nie weiß, wie viel man davon noch hat.
Für mich ist der Sym Fiddle2 nun ein echter Flux- Kompensator.
Er hat mich in die Vergangenheit blicken lassen und die Zeit gedehnt.
Hatte der Händler damals gar nicht erwähnt, dass er das kann.
Fürs Protokoll:
Durchschnittsgeschwindigkeit 39,84km/h, Verbrauch 2,3 Liter/ 100