Moin.
Ich bin ja grad dabei mein zweites Projekt aufzubauen, den kleinen Stinker von Jacqui.
Ich muss zugeben, daß das recht viel Spaß macht, vor allem freue ich mich darauf, wenn das Ding die ersten Töne von sich gibt.
Obwohl ich ja nicht den kleinsten Platz mehr habe, bin ich trotzdem so "krank", daß ich gelegentlich in den Kleinanzeigen schaue, welches Mauerblümchen wohl mal gepflückt werden möchte.
Dabei fiel mir eine VFR RC24II auf. Typisches End-80er Design mit einem geil kingenden, 12.000U/min drehenden V4. Für die Zeit damals hat sie auch ein gutes Fahrwerk. Die gibts nicht mehr allzu oft auf der Straße. Ein Exot. Und denke, daß es aufgrund späterer Wertsteigerung vielleicht ein gutes Projekt wäre.
Jo. Und da stand tatsächlich eine in den Anzeigen ( angeblich Verden - 15km Weg, in Wirklichkeit steht sie aber in Rotenburg Wümme -30km Weg ). Preis VB, fahrbereit, auf den Fotos alles gut. rot, Kofferträger, ( würg ) blaue Sitzbank, erst kürzlich abgemeldet.
Wie üblich erst geschrieben, dann telefoniert. Es war der Sohn vom Verkäufer. "Mein Vater verkauft die, ich geb ihnen seine Nummer." Also ihn kontaktiert. Netter älterer Herr. In meinem Kopf manifestierte sich das Bild von einem konseravtiven Anfang-60er Typen im Polunder. Der nette ältere Herr von nebenan. Sein Sohn hätte die angeblich vorher gefahren, dann Er. Jeden Tag zur Arbeit etc. Sie wurde erst kürzlich abgestellt und läuft. Absolut fahrbereit. TÜV hätte sie nicht mehr, aber würde so durchgehen. Wir haben uns ein bisschen unterhalten und habe ihm von vornherein klar gemacht, daß ich eigentlich etwas zum Aufbauen suche und nicht viel Geld ausgeben möchte. "Ja also unter 600 gebe ich die nicht ab, die ist eigentlich über 1000 wert." Wir sind dann so verblieben, daß ich mich zurückmelde. Denn, F*CK das passte mir leider so ziemlich in den Kram, wenn sie denn einigermassen gut wäre. Irgendwie musste ich Jacqui beibringen, daß da das nächste Projekt lauert. Natürlich habe ich gesagt, daß ich die NICHT kaufen würde. Ich Schelm...
Mila ( 7 ) äusserte ihre Anti-Begeisterung mit purer Ironie "Boah Papa, *hust* neee, noch ein Motorrad. Du und deine Motorräder. Ja ja ja, demnächst fährste noch in der Formel eins oder watt? " Das schallende Gelächter könnt ihr euch sicher vorstellen. Nun ja, ich habe dann nochmal angerufen zwecks Termin. "Ich geb mal weiter an meinen Sohn, der gibt dir die Adresse." Erste Fragezeichen bei mir. Zudem, trotz abgrundtief deutschen Namen, tauchten im gespeicherten WhattsApp-Status eher südländische Mitbürger auf. Nicht wild, aber seltsam.
Am besagten morgen, wir waren um 11:00 verabredet, hatte er nochmal angerufen, ob ich früher könnte, er wolle noch in die Kirche und schaffe es sonst zeitlich nicht nach Bremen. Ich sagte, daß das doch sehr spontan wäre und ich in jedem Fall noch mit Frau und Kind in Ruhe frühstücken möchte. ( Das ist nun mal Sonntags-Ritual. ) Aber ich würde mich dann sofort auf dem Weg machen, wäre um 10:30 Uhr da.
Ich sattelte meine Ente und fuhr bei herrlichstem Wetter los. Ich war total gespannt und hatte schon das dumpfe Trommeln des V4 in den Ohren. Und Schiss, den Preis möglichst tief zu drücken, denn der Sohn hatte einen sehr schlecht gelaunten Unterton. Wieder hatte ich eine (falsche ) Vorstellung eines vorwerflichen Sohnes, der seinem Papa gesagt hatte "Papa, biste doof? Du willst die für 600 Schleifen abgeben?" Ich hoffte er wäre nicht dabei und könnte mit dem netten Herrn in Ruhe handeln. Und verdammt, wo kann ich die nur bis nächstes Jahr unterstellen?? Vielleicht sogar heimlich, ohne daß jacqui das mitbekommt? Wobei das eh nicht klappen würde, mein blödes Grinsen würde mich sofort verraten.
Eine knappe halbe Stunde später, um 10:20 Uhr war ich vor Ort. Neben der Garage parkte Gretas Alptraum, ein protziger Mercedes SUV in perlmuttweiss. Es stieg ein freundlicher lächelnder Südländer aus. "Hallo, Schultz mein Name." ( Name nicht original, war aber deutsch. ). Ich bin der Bruder des Verkäufers." Aaaaaalter habe ich gedacht, jetzt gehts aber los. Noch ein Anderer. Schwager, Sohn und nun Bruder. Aber was solls. Er öffnete die Garage und da stand Sie in knallrot.
Ernüchternd... völlig eingestaubt, ein Spinnennetz knisterte als ich den Lenker bewegte. Die stand etliche Monate! Ich schob sie langsam nach draussen, wo ich mir das Ding genauer betrachtete. Ich überprüfte als erstes die Verkleidung, die an der linken Seite kaputt war und äusserst schlecht mit Spachtel und falschen Schrauben repariert wurde. Die Scheibe klapperte aufgrund fehlender Schrauben. Der Bruder sagte" die ist sogar Offen, die hat mein Bruder schon mit 270 gefahren." Ich dachte nur, daß man sich damit nicht brüsten sollte. Egal. Knallkopp...Blöder. Ich prüfte die Lagerungen der Räder, Schwinge und Lenkkopf. "Sie haben wohl etwas mehr Ahnung von Motorrädern?" sprach er leise. "Ja, geringfügig." grinste ich ( noch ). Die Gabel war völlig undicht, sabberte Öl. An der Serienauspuffanlage, die beidseitig zerkratzt war, stand schlecht leserlich mit Edding 35€ dran, Wurde also gebraucht gekauft und ausgetauscht. Der Schaden war also doch recht groß gewesen. Ich schraubte den Stopfen oben an der Kupplung heraus "Upps, kein Peilstab. Ah, da unten ist Er ja." Darunter war der richtige Schraube. Ich roch dran, kein Benzingeruch. Ich prüfte den Ölstand...bzw. ich wollte es. KEIN ÖL!!! Leer. Ich fragte "Da ist kein Öl drauf, Warum? Hat er das abgelassen?" "Das weiss ich nicht, ich ruf ihn mal an." Er telefonierte kurz, oder tat zumindest so. "Jaaa, er hat es vorher abgelassen." Mein Mundwinkel zog sich in einer neutralen Waagerechten und ich guckte ihn nur mit leerem Blick an. Er war mir voll auf dem Leim gegangen. Ja nee, ist klar. Ich stellte mir vor, wie Er, oder wer auch immer aus der Großfamilie, mit dem Gerät mit Ölmangel über die Bahn gepeitscht ist. Der Besitzer war dann auch zu faul um das Ding auf den Hauptständer zu hieven, aber lässt, warum auch immer, das Öl ab. Möööööp...Fehler.
"Ob die anspringt? Welcher Schlüssel ist es denn" fragte er. Ich zeigte ihm den richtigen Schlüssel und er drehte ihn herum. Es klackte nichtmal mehr das Relais. Ich hätte eh keine Probefahrt mehr machen wollen. Ich schaute hinter der Verkleidung und entdeckte beiläufig neben diversen weissen Spuren am Motor ( Korrosion oder Wasserverlust?? ) die abgebrochene Fußraste auf der linken Seite. Das wars. Die Aufnahme war stark nach innen gedrückt, sprich der Rahmen hatte einen derben Schuss. Mir hats gereicht. Wieder einmal hatte ich dieses zucken im Genitalbereich, was mir immer passiert, wenn mein Hals Blut braucht um anszuschwellen. Akuter Hodenschock mit Risiko von Ganzkörpertourette. Ich sagte, "Das wars.""Und?" " Ja nix, das ist ein Fall für den Hochofen. Rahmen krumm." Ich zeigte ihm, was da los war und erklärte es ihm im leicht, nur ganz leicht ernsten Ton meine Vermutungen, was dieses arme Motorrad wohl mitmachen musste. Er war ja nicht der vermeintliche Besitzer und hatte null Ahnung von Moppeds. "Kein Öl. Auf der Bahn ins Drehzahlzenith gedreht. Sturz. Rahmen krumm. Exitus." "Und für 300€?" "Nein." " Für wieviel denn?" "Garnicht! Das Ding gehört aus dem Verkehr gezogen. Kein Tüvver würde das Teil durchgehen lassen. Ansonsten nennen Sie mir den Namen, dann weiß ich, wo ich nie hinfahren darf! Stellen sie sich vor, sie richten die Fussrastenaufnahme. Aluminium biegt man nicht zurück. Das Material ist zwar fest, leicht, aber spröde. Stellen sie sich vor, sie fahren mit 230 Sachen auf der Autobahn. Die Aufnahme bricht, der Halter fällt ab. Der Rahmen wird im Schwingenbereich aufgrund der Schwächung instabil. Bei 230! Muss nicht, aber kann. Und die Fussrastenhalterung, die fliegt einem Autofahrer in die Windschutzscheibe. Es ist unverantwortlich, dieses Motorrad als fahrbereit zu verkaufen." Ich gab mir wirklich Mühe sachlich zu bleiben, was mir aber tatsächlich auch gelang. Keinen Bock, daß hinterher böse Anrufe vom Rest kommen. Ich habe mich freundlich verabschiedet und genoss meine schöne Ente auf dem Rückweg. Was solls. War ja nicht weit weg. Immerhin habe ich mal auf so einen Hobel draufgesessen um mal zu schauen ob es überhaupt passt. Also ein unheimlich zierlich, schlank wirkendes Mopped, federleicht. Das Schieben und aufbocken war sogar leichter als bei der Ente. Der Kniewinkel etwas spitzer aber völlig ok. Ich hätte sie echt gerne mal gefahren. Warum nur tut man einem Motorrad so etwas an? Oder potenziellen Käufern? Also immer schön prüfen. Immer sachlich bleiben und sich nicht einwickeln lassen. So schnell avanciert ein fahrbereites Alltagsmotorrad zur absoluten Nullnummer.
Und Finger weg von Der. Standort "Verden", rot, mit Kofferträgern und blauer Sitzbank.
Gruß Maik