Mal wieder eine Ente

"Später", vertröstete ich die dicke Berta, die unruhig auf dem Hauptständer zappelte.
Kein Wunder: 12 Grad, Sonnenschein, und das Anfang November.

Verächtlich schnaufte sie aus ihren 2 Zylindern: "Aber die darf mit??!!!"

Die, das war die kleine Honda 110 Vision.

"Hör mal, Ente. Ich schleppe hier nen fetten Drehmomentschlüssel, der nicht in deinen Tankrucksack passt, okay? Wir machen nachher noch ne Tour."

"Ehrlich? Heute noch? Dänemark? "

"Corona. Schon mal davon gehört. Hör zu, ich schraub jetzt die Winterreifen an die Dose der Schwiegermutter, dann geht es los."

"Was hat die Ente nur?", schnurrte die Vision wenig später auf der Autobahn, während ihre Tachonadel um die 100km/h pendelte. Sie war gut drauf, kein Wunder. Die letzten Tage war das Wetter eher durchwachsen gewesen, bis vor wenigen Stunden war sie komplett in Herbstdreck gehüllt gewesen, bevor ich sie davon befreite. Zudem hatten begleitete uns ein milder Rückenwind des Weges.

"Eifersucht", schrie ich ihr gegen das Dröhnen ihres Motors zu, der sich nahe an der zulässigen Höchstdrehzahl um Anerkennung auf der Autobahn mühte.

"Muss sie nicht", erwiderte die kleine Honda demütig, " Sie ist doch viel stärker als ich und muss nicht jeden Morgen früh aufstehen so wie ich."

"Ja, ja, aber sie ist halt auch ein Arbeitstier und sich für nichts zu schade. Sie soll sich halt ein wenig schonen."

Der Vision nickte kurz in den Gabelholmen und setzte seine Fahrt auf der Suche nach Windschatten unbeirrt fort.

3 Stunden später.

Der Roller parkte an der Straße und die dicke Berta schob ihren großen Scheinwerfer blinzelnd in die Sonne.

Ich startete sie und noch leicht hüstelnd füllten sich ihre Vergaser mit frischem Lebenssaft. Frühling lag in der Luft, schon durch die Absonderungen ihres kurzen rechtsseitigen Stummels. Nach einigen behutsamen Kilometern zeigte sie wieder die gewohnte Angriffslust. Zu lange schon bremste der vorausfahrende Volvo ihren Vorwärtsdrang, zu lange schon störte der drängelnde Passat unweit ihres klassischen Rücklichts.

"Attacke", brüllte sie nach dem Zurückschalten in den 2.Gang und schob los. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, während der Drehzahlmesser immer wieder durch das Zahlenband huschte. Das Lächeln wich dann aber einer gewissen Besorgnis, denn so sehr ich auch in den rechten Steigbügel trat und am linken Zügel zog, sie stürmte weiter. Entfesselt, wider jeglicher Gesetzmäßigkeiten der STVO.

"Ente, lass gut sein. Okay, du darfst auf die Autobahn", ächze ich, während ich sie von Kurve zu Kurve warf.

Welch ein ungebührliches Benehmen für eine Dame ihres Alters .

Immerhin. Wir hatten einen Deal. Sie fiel in einen halbwegs akzeptablen Trab zurück und wirkte doch angespannt.

Bis wir auf die Autobahn auffuhren. Wie ein Pferd auf dem Rund der Rennbahn stemmte sie ihr Gummi gegen den Asphalt, statt Gras und Erde stoben wohl feinste Kiesel hinter uns auf, der Tacho näherte sich der 200km/h - Marke...und überschritt sie sogar für den einen oder anderen Moment.

So flogen wir ein ganzes Stück dahin, so wie eine 747 auf dem letzten Drittel der Startbahn, kurz bevor sie in den sonnenbestrahlten blauen Himmel abheben würde. Aber die Ente hob nicht ab. Stolz wie ein Piratenschiff hielt sie ihren Bug in den Wind, mutig schubste sie eine BMW und eine Triumph von der linken Spur, unaufhaltsam ,der Asphalt schien hinter uns aufzureißen und vermeintliche Gegner zu verschlingen.

Unangefochten lag sie vorne bis wir dann, vom Winde zerzaust, aber glücklich, die letzten Kilometer auf einer geschwungenen Landstraße genossen.

Zufrieden schnaufend stand sie dann wieder im Stall, die Honda Vision parkte hinter ihr. Beide schienen zufrieden mit diesem Frühlingstag zu sein. Diesem Frühlingstag mitten im November.

Eigentlich ein schöner Samstagmorgen. Eigentlich.

Bewegungsfahrt war angesagt. Erst mit dem Fuffi meiner Tochter, der sich zunächst mit der Gasannahme etwas schwer tat, dann aber für eine kleine High-Speed-Runde ( 45km/h) durchaus empfänglich war.

Ich freute mich schon auf die Ausfahrt mit der dicken Berta, also meiner treulieben NTV 650.

Bis ich den Starterknopf drückte.

Oggeldie, oggeldie, oggeldie, bumph.

Batterie im Eimer, zwar recht schnell wieder geladen lt. Ladegerät, aber mehr als ein bis zwei Oggeldie, Oggeldie waren ihr nicht zu entlocken.

Kapazität dann gleich wieder unter 20 %.

Ich wollte erst böse sein, aber die dicke Berta hat das gut gemeint.

Bei Louis gibt es frische Ware für 42% unter UVP im Angebot. Sei kann offensichtlich nicht nur gut fahren, sondern auch gut planen.

Sie hatte bestimmt schon länger den Wunsch nach einem neuen Saftspender und hat so lange gewartet, bis es diesen günstig zu kaufen gibt.

Was für ein braves und wirtschaftlich denkendes Wesen. Und dabei sieht sie auch noch gut aus.

Wäre sie eine Frau, dann müsste man sie heiraten...

Nun bekommt sie halt zu Weihnachten eine neue Batterie.

Gruß
Thomas